Zum Hauptinhalt springen

Ansichten des Paritätischen Arbeitgeberverband PATT e. V. zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD - „Verantwortung für Deutschland“

Noch vor Ostern einigten sich die Union und die SPD auf einen Koalitionsvertrag – wir begrüßen die Geschwindigkeit, mit der man Einigung in wesentlichen Punkten erzielt hat. Nach CSU und CDU haben auch die Mitglieder der SPD mit 84,6 % dem Vertrag zugestimmt. Wichtig ist nun, dass mit ähnlicher Geschwindigkeit die beschlossenen Maßnahmen in Gang gesetzt werden und sich Regierungshandeln den Herausforderungen der dynamischen Entwicklung anpasst. Die Gewährleistung tarifautonomer Gestaltungsspielräume durch Öffnungsklauseln sind bei einigen der in Aussicht gestellten Vorhaben sehr zu begrüßen, um den vielgestaltigen Gegebenheiten sachgerecht und passgenau Rechnung tragen zu können.

In einigen Kernbereichen, die unsere Arbeit als Arbeitgeberverband für die Sozialwirtschaft betreffen, möchten wir eine Bewertung der Inhalte des Koalitionsvertrages vornehmen:

Abbau von Bürokratie, Dokumentationspflichten und Beschleunigung von Arbeitsgenehmigungen (335 ff., 419 ff.)

Der PATT erkennt an, dass Arbeitsgenehmigungen für qualifizierte Fachkräften und die Anerkennung von Berufsqualifikationen beschleunigt werden sollen, um den Zugang zum Arbeitsmarkt bei steigendem (Fach)Kräftemangel zu beschleunigen. Auch den Abbau von Bürokratie hin zu vereinfachten Normen und Standards sowie der weiterhin geplante Abbau von Schriftformerfordernissen, insbesondere im Arbeitsrecht, sollte zügig und im Sinne der Anwender vorangetrieben werden.

Gesetzlicher Mindestlohn (545 ff.)

Das Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission ist aus unserer Sicht eine wichtige Botschaft. Dazu passt nicht die Behauptung und vor allem die von der SPD inzwischen geforderte Größe von 15 Euro im Jahr 2026. Die politische Einmischung in die Arbeit der Mindestlohnkommission durch die gesetzgeberische Festlegung auf 12 Euro im Oktober 2022 stellte die Tarifautonomie in Frage und muss ein einmaliger Eingriff bleiben. Für die bereits im Raum stehenden 15 Euro fehlt aus unserer Sicht die Grundlage bzw. erschließt sich nicht, wie man diesen Mindestlohn errechnet hat. Wir folgen der Auffassung des BDA, dass Anpassungsentscheidungen Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie nicht in Frage stellen dürfen.

Arbeitszeit, steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit und Teilzeitprämie (557 ff.)

Im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie soll die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen werden. Dieses Vorhaben bringt Unternehmen und Beschäftigten mehr Flexibilität und ist dringend nötig.  

Die geplante Steuerfreiheit von Mehrarbeit ist grundsätzlich geeignet, diese zu fördern und Arbeitseinkommen, deren Höhe durch den ständigen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge geschmälert werden, zu entlasten. Dabei wird von einer Vollzeit- Woche von mindestens 34 Stunden ausgegangen. Hier sehen wir die Gefahr, dass Tarifvertragsparteien Konflikte im Hinblick auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und die Vereinbarung einer möglichst geringen tariflichen Wochenarbeitszeit auszutragen haben. Die Privilegierung nur bestimmter Entgeltbestandteile ist aus unserer Sicht zu überdenken. Eine Ausgestaltung der geplanten Regelungen bleibt abzuwarten.

Es sollen steuerliche Anreize geschaffen werden, wenn Arbeitgeber Beschäftigten in Teilzeit eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen. Missbrauch soll ausgeschlossen werden.

Das Ziel, mehr Arbeit zu fördern, ist nachvollziehbar und richtig. Aus Sicht des Arbeitgeberverbandes wird mit der Thematisierung von Prämien lediglich der Druck auf Arbeitgeber*innen erhöht, zusätzliche Zahlungen zu leisten. Das ist für Unternehmen in der Sozialwirtschaft kaum möglich, eine Refinanzierung von Prämien halten wir für nahezu ausgeschlossen. Gesetzlich geregelte Vorteile bei Teilzeit sollten überdacht werden, anstatt Prämien, die sich Arbeitgeber*innen ohnehin immer schwerer leisten können, steuerlich zu begünstigen.

Tariftreue als Ziel (553 ff.)

Die Parteien der Koalition bekennen sich zu höherer Tarifbindung. Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben – so wird es im Vertrag formuliert. Es sollten Wege gefunden werden, für Tarifbindung zu werben und die Abschlussquote über Anreize so zu steigern, dass vor allem Unternehmen und Beschäftigte davon profitieren.

Tarifbindung im Bereich der Sozialwirtschaft ohne gleichzeitige auskömmliche Refinanzierung bedeutet Druck auf die Einrichtungen anstatt Gerechtigkeit für die Beschäftigten. Das kann nicht das Ziel sein. Wer Tarifverträge will, muss auch bereit sein, sie in den Förder- und Vergabesystemen der Länder und Kommunen systematisch zu berücksichtigen. Alles andere bleibt Symbolpolitik auf dem Rücken der freien Träger.

Mitbestimmung und Betriebsverfassung (579 ff.)

Die Weiterentwicklung der Mitbestimmung wird grundsätzlich begrüßt, wenn diese nicht in einer Ausweitung und Bürokratisierung der Betriebsverfassung endet. Es braucht flexible Möglichkeiten, um Verhinderungsstrategien zu minimieren. Die Möglichkeit, online Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen sowie Wahlen abzuhalten, tragen der fortschreitenden Entwicklung und der Notwendigkeit schneller Entscheidungen Rechnung.

Befristung nach der Regelaltersgrenze (610 ff.)

Das Ziel, das Vorbeschäftigungsverbot nach Erreichen der Regelaltersgrenze aufzuheben und dadurch befristetes Weiterarbeiten zu ermöglichen, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Rechtssicherheit und Flexibilität. Aus unserer Sicht können hier weitere Möglichkeiten geschaffen werden, die Weiterbeschäftigung von Rentner*innen zu erleichtern und rechtssicher zu gestalten.

Entgelttransparenz (3226 ff.)

Deutschland muss bis Juni 2026 die EU- Entgelttransparenzrichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Hierfür soll eine Kommission bis Ende 2025 Vorschläge erarbeiten. Es ist dringend geboten, dass Sozialpartner Teil der Kommission sind. Das zu erarbeitende Gesetz darf Tarifautonomie und bereits bestehende Tarifverträge nicht unberücksichtigt lassen. Wie das Ziel, gleiche Löhne für gleiche Arbeit von Frauen und Männern bis 2030 zu verwirklichen, zu zeitlichen Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie passen soll, erschließt sich uns derzeit nicht. Zudem ist darauf zu achten, dass die Verpflichtungen nach dem Gesetz nicht zu einem weiteren Aufbau bürokratischer Hürden führen, eine bürokratiearme Umsetzung ist nach dem Koalitionsvertrag das Ziel.

Weitere Themen

Der Koalitionsvertrag beabsichtigt weitere Veränderungen unter anderen im Bereich BEM, Betriebliche Altersvorsorge (Portabilität), Erleichterungen bei der dualen beruflichen Aus- und Weiterbildung im Hinblick auf die Akkreditierung zur Träger- und Maßnahmenzulassung, die wir als positives Signal erachten. Entbürokratisierung spielt in vielen Bereichen eine wichtige Rolle und ist dringend geboten.

Für den Bereich, für den wir die Arbeitsbedingungen verhandeln – die Sozialwirtschaft - schließen wir uns der Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes mit dem Fazit an: Zu begrüßen ist, dass die Koalitionsparteien die Bedeutung gemeinnütziger Wohlfahrt für den sozialen Zusammenhalt und für eine lebendige Demokratie anerkennt. Das lässt hoffen.